Die Geschichte der Geschwister Scholl
Geschwister-Scholl-Schule - ein großer Name für unsere Grundschule
Seit dem Jahre 1948 heißt unsere Schule „Geschwister-Scholl-Schule“.
Ein großer Name, der an die Widerstandsbewegung der „Weißen Rose“, einer Gruppe von Studenten und Studentinnen erinnert, bei der die Geschwister Hans und Sophie Scholl eine große Rolle spielten.
Ein großer Name deshalb, weil er vom beispiellosen Mut in einem dunklen Kapitel unserer Geschichte zeugt: Die Geschwister Scholl gehörten nicht zur schweigenden, duldenden Mehrheit der Deutschen im sogenannten Dritten Reich, sondern leisteten friedlichen Widerstand, indem sie gemeinsam mit Freunden und Verbündeten insgesamt sechs Flugblätter verbreiteten.
Sie wurden wegen ihres aktiven friedlichen Widerstands gegen das nationalsozialistische Regime hingerichtet.
Hans Scholl, geboren am 22.9.1918, und Sophie Scholl, geboren am 9.5.1921, wuchsen mit ihren Geschwistern Inge, Elisabeth und Werner in Ludwigsburg und Ulm auf. Ihre Eltern Magdalena und Robert Scholl erzogen ihre Kinder zu christlichen-humanistischen Werten. Robert Scholl war Liberaler und von Anfang an dem Hitler-Regime kritisch gegenüber eingestellt. Nach dem Krieg wurde er Oberbürgermeister von Ulm.
1933 und 1934 waren Hans in der Hitlerjugend und Sophie im Bund deutscher Mädel, wie die meisten ihrer Mitschüler auch. Sie waren zunächst so jugendhaft begeistert und engagiert für ihre Gruppen, so dass sie beide Gruppenführer wurden.
Ihre Begeisterung für das nationalsozialistische Regime nahm aber durch verschiedene Erfahrungen und Erlebnisse ab und kehrte sich schließlich in absolute Ablehnung um:
- das Verschwinden eines jungen Lehrers, der kein Nationalsozialist sein wollte
- Gerüchte um den Verbleib vieler jüdischer Mitbürger
- Verbot einiger Lieder
- Verbot eigener Fahnen den Jugendgruppen
- mahnende Gespräche mit dem Vater, der Gegner des Regimes war
- Verbot vieler Bücher
- Einschränkung der Glaubens- und Meinungsfreiheit
Weil sie sich und ihre Jugendgruppen nicht „gleichschalten“ ließen, also sich nicht den Ordnungen und Regeln der Hitlerjugend unterordnen wollten, wurden Hans und Sophie 1937, wie viele damals, von der Gestapo verhaftet. Sophie wurde einen Tag lang festgehalten, Hans war fünf Wochen lang im Gefängnis.
Als der Krieg ausbrach, hatte Hans schon angefangen Medizin zu studieren. Er wurde eingezogen und kam zu einer Sanitätskompanie, unter der er beim Feldzug gegen Frankreich teilnahm. Später kam er in eine Studentenkompanie nach München; hier war er halb Soldat, halb Student. „Hans fiel dieses zwiespältige Leben besonders schwer. Schwerer noch und dunkler lastete auf ihm, daß er in einem Land leben mußte, in dem die Unfreiheit, der Haß und die Lüge zum Normalzustand geworden waren.“ (Inge Scholl: Die weiße Rose, S. 31).
Im Frühjahr 1942 fand die Familie Scholl Vervielfältigungen der Predigten des Bischofs von Münster, Graf von Galen, in ihrem Briefkasten. Hierin wurden die Deutschen zum Durchhalten gegen den Staatsterror ermutigt. Der Bischof sprach aber auch über die Ungeheuerlichkeit, dass Geisteskranke und unheilbar Kranke auf seltsame Art aus ihren Pflegeheimen abgeholt und ihren Verwandten später als verstorben gemeldet wurden. Hans bewunderte den Mut dieses Bischofs, endlich die Wahrheit auszusprechen und sagte: „ ‚Man sollte unbedingt einen Vervielfältigungsapparat haben.’ “ (a.a.O., S. 37)
Während seines Studiums in München lernte Hans Gleichgesinnte kennen, die wie er das herrschende Regime ablehnten: Alexander Schmorell, Christoph Probst und Willi Graf. Auch Karl Huber, ein Professor der Universität, schloss sich der Gruppe an. Im Mai 1942 kam auch Sophie nach München um zu studieren. Sie lernte Hans’ Freunde kennen und war von nun ab dabei, wenn sie sich trafen. Sie führten viele Gespräche über die unmenschliche Politik des Dritten Reiches. Diese geistige Verbundenheit und auch die Eindrücke der Kriegseinsätze während der Semesterferien brachten den Freundeskreis dazu, die „Weiße Rose“ zu gründen. Sie entwarfen gemeinsam Flugblätter, in denen zum Widerstand gegen das Nazi-Regime aufgerufen wurde, vervielfältigten und verbreiteten sie. Hierbei waren sie stets in Gefahr, denn sie mussten alles heimlich vorbereiten und konnten nur Menschen einweihen, denen sie absolut vertrauten. Die Flugblätter wurden an der Universität München verteilt und mit der Post an Ärzte, Rechtsanwälte, Gastwirte, Professoren und Buchhandlungen verschickt, um so möglichst viele Multiplikatoren zu finden.
Die Flugblätter gelangten durch die Mitglieder der Weißen Rose und deren Freunde auch in andere große Städte, wie z. B. nach Berlin, Hamburg, Frankfurt, Stuttgart, Freiburg, Saarbrücken und Karlsruhe. Von hier aus, so hofften Hans, Sophie und ihre Freunde, sollte sich „der Geist des Widerstandes nach allen Seiten verbreiten“ (a.a.O., S. 89).
Das sechste Flugblatt gelangte sogar nach London, wurde dort in hunderttausendfacher Auflage gedruckt und durch die Royal Airforce über Deutschland abgeworfen.
Der Name „Weiße Rose“ ist laut Hans Scholls eigenen Worten „…willkürlich gewählt. Ich ging von der Voraussetzung aus, daß in einer schlagkräftigen Propaganda gewisse feste Begriffe da sein müssen, die an und für sich nichts besagen, einen guten Klang haben, hinter denen aber ein Programm steht.“ (Sophie Scholl und die Weiße Rose, www.br-online.de)
Hier einige Beispiele aus den insgesamt sechs Flugblättern:
Auszüge aus dem ersten Flugblatt:
„Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdiger, als sich ohne Widerstand von einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herscherclique regieren zu lassen. Ist es nicht so, daß sich jeder ehrliche Deutsche heute seiner Regierung schämt, und wer von uns ahnt das Ausmaß der Schmach, die über uns und unserer Kinder kommen wird, wenn einst der Schleier von unseren Augen gefallen ist und die grauenvollsten und jegliches Maß unendlich überschreitenden Verbrechen ans Tageslicht treten?“ (Inge Scholl: Die weiße Rose, S. 117)
„Leistet passiven Widerstand - Widerstand - wo immer ihr auch seid, (…)
Vergeßt nicht, daß ein jedes Volk diejenige Regierung verdient, die es erträgt!“ (a.a.O., S. 119)
Das zweite Flugblatt berichtet über die Ermordung von 300.000 polnischen Juden:
„Hier sehen wir das fürchterlichste Verbrechen an der Würde des Menschen, ein Verbrechen, dem sich kein ähnliches in der ganzen Menschengeschichte an die Seite stellen kann.“ (a.a.O., S. 126/127)
„Jetzt, da uns in den letzten Jahren die Augen geöffnet worden sind, da wir wissen, mit wem wir es zu tun haben, jetzt ist es allerhöchste Zeit, diese braune Horde auszurotten.“ (a.a.O., S. 129)
Im dritten Flugblatt wird noch einmal eindringlich zum passiven Widerstand, zur Sabotage in allen Bereichen aufgerufen; unter anderem in Rüstungsbetrieben, bei kulturellen Veranstaltungen, auf geistigem und wissenschaftlichem Gebiet und in der Presse.
Das vierte Flugblatt verurteilt vor allem den sinnlosen Krieg und stellt Hitler in aller Deutlichkeit als Verbrecher dar:
„Die Trauer kehrt ein in die Hütten der Heimat, und niemand ist da, der die Tränen der Mütter trocknet, Hitler aber belügt die, deren teuerstes Gut er geraubt und in den sinnlosen Tod getrieben hat.“ (a.a.O., S. 141)
„Wenn er (Hitler, Anm. der Autorin) Frieden sagt, meint er den Krieg, und wenn er in frevelhaftester Weise den Namen des Allmächtigen nennt, meint er die Macht des Bösen, den gefallenen Engel, den Satan.“ (a.a.O., S. 141/142)
In den beiden letzten Flugblättern wird der Ton noch härter. Als Verfasser wird nun auch nicht mehr die Weiße Rose genannt, sondern die Widerstandsbewegung in Deutschland:
„Deutsche! Wollt Ihr und Eure Kinder dasselbe Schicksal erleiden, das den Juden widerfahren ist? Wollt Ihr mit dem gleichen Maß gemessen werden wie Eure Verführer? Sollen wir auf ewig das von aller Welt gehaßte und ausgestoßene Volk sein? Nein! Darum trennt Euch von dem nationalsozialistischen Untermenschentum! Beweist durch die Tat, daß Ihr anders denkt!“ (a.a.O., S. 148)
„Der deutsche Name bleibt für immer geschändet, wenn nicht die deutsche Jugend endlich aufsteht, rächt und sühnt zugleich, ihre Peiniger zerschmettert und ein neues geistiges Europa aufrichtet.“ (a.a.O. S. 154)
„Unser Volk steht im Aufbruch gegen die Verknechtung Europas durch den Nationalsozialismus, im neuen gläubigen Durchbruch von Freiheit und Ehre.“ (a.a.O., S. 155)
Beim Verteilen des sechsten Flugblatts an der Münchner Universität wurden Hans und Sophie am 18. Februar 1943 vom Hausmeister entdeckt und an die Gestapo (Geheime Staatspolizei) ausgeliefert.
Vier Tage später, am 22. Februar 1943, wurden sie gemeinsam mit Christoph Probst durch den Volksgerichtshof in München zum Tode durch das Fallbeil verurteilt. Noch am gleichen Tag wurden die drei Freunde hingerichtet. Hans’ letzte Worte waren: „Es lebe die Freiheit!“ (Hans Scholl, bei www.wikipedia.org)
Auch andere Mitglieder der Weißen Rose wurden hingerichtet:
Alexander Schmorell, geboren am 16.9.1917, Student der Medizin und Kurt Huber, geboren am 24.10.1893, Professor für Psychologie und Philosophie, wurden am 13.7.1943 hingerichtet.
Willi Graf, geboren am 2.1.1918, Student der Medizin, wurde am 12.10.1943 hingerichtet.
Hans-Konrad Leipelt, Student der Chemie, wurde am 29.1.1945 hingerichtet. Er hatte gemeinsam mit seiner Freundin Marie-Luise Jahn das sechste Flugblatt nach Hans, Sophies und Christophs Tod verbreitet und dazu geschrieben: „Und ihr Geist lebt trotzdem weiter!“ (Das Vermächtnis der Weißen Rose, bei www.br.-online.de)
Zum Andenken an die Widerstandsbewegung wird in München jedes Jahr der Geschwister-Scholl-Preis verliehen. Auch viele Straßen und Schulen in Deutschland wurden nach den Widerstandskämpfern benannt. Die Geschwister-Scholl-Straße in Neuwied, ganz in der Nähe unserer Schule, erhielt ihren Namen im November 1971 (zuvor hieß sie Römerstraße).
Die Namensgebungen dienen als Erinnerung an diese mutigen Menschen, aber auch als Mahnung an uns, bei Unrecht oder Einschränkung der Freiheit des Einzelnen nicht wegzusehen, sondern immer nach Gerechtigkeit zu streben, dafür einzustehen und zu kämpfen!
Für uns als Schule bedeutet das, bei der Erziehung und Bildung der Kinder den Grundstein für Gerechtigkeitsempfinden und Zivilcourage zu legen.
Geschwister-Scholl-Schule… ein großer Name!
Silvia Blum-Heblich
Quellenangaben:
- Inge Scholl: Die weiße Rose, Frankfurt a. M. 1953
- www.wikipedia.org/wiki/Hans_Scholl
- www.br-online.de/kultur-szene/thema/scholl-weisse-rose
- Festschrift der Geschwister-Scholl-Schule 1906 – 1996